Fachinformation

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Nityr® Tabletten

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Nityr, Tabletten wurden von Swissmedic nur summarisch geprüft. Die Zulassung von Nityr, Tabletten stützt sich auf Orfadin, Kapseln mit Stand der Information vom Februar 2020, welches denselben/dieselben Wirkstoff(e) enthält und in Deutschland zugelassen ist.

Zusammensetzung

Wirkstoffe

Nitisinon

Hilfsstoffe

1 Tablette zu 2 mg enthält:

Lactosemonohdydrat (116.4 mg), Glyceroldibehenat

1 Tablette zu 5 mg enthält:

Lactosemonohdydrat (113.4 mg), Glyceroldibehenat

1 Tablette zu 10 mg enthält:

Lactosemonohdydrat (108.4 mg), Glyceroldibehenat

Darreichungsform und Wirkstoffmenge pro Einheit

1 Tablette enthält 2 mg, 5 mg oder 10 mg Nitisinon.

Indikationen/Anwendungsmöglichkeiten

Nityr wird zusätzlich zu geeigneten diätetischen Massnahmen, einschliesslich einer Restriktion der Tyrosin- und Phenylalanin-Aufnahme, angewendet bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Hereditärer Tyrosinämie Typ 1 (HT-1).

Dosierung/Anwendung

Die Nitisinonbehandlung soll von einem Arzt eingeleitet und überwacht werden, der über Erfahrung in der Behandlung von HT-1-Patienten verfügt.

Die Behandlung aller Genotypen der Erkrankung sollten möglichst frühzeitig eingeleitet werden, um das Gesamtüberleben zu verlängern und Komplikationen wie Leberversagen, Leberkarzinom und Nierenerkrankungen zu verhindern. Unterstützend zur Nitisinonbehandlung ist eine an Phenylalanin- und Tyrosin-arme Ernährung erforderlich; diese sollte mittels regelmässiger Kontrolle der Plasma-Aminosäuren monitorisiert werden (siehe Abschnitte Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen und Unerwünschte Wirkungen). Insbesondere bei pädiatrischen Patienten empfiehlt sich zudem eine diätetische Beratung und Begleitung durch entsprechend geschultes und erfahrenes Fachpersonal.

Dosierung

Die empfohlene initiale Tagesdosis für Kinder und Erwachsene beträgt 1 mg/kg Körpergewicht oral. Die Nitisinondosis sollte individuell angepasst werden. Es wird empfohlen, die Dosis einmal täglich anzuwenden. Da jedoch von Patienten mit einem Körpergewicht < 20 kg nur begrenzt Daten vorliegen, wird empfohlen, die Tagesgesamtdosis bei diesen Patienten auf zwei tägliche Gaben aufzuteilen.

Dosiseinstellung

Während der regelmässigen Überwachung ist eine Beobachtung des Succinylacetonspiegels im Urin, der Leberfunktionsprüfungswerte und der Alpha-Fetoprotein-Spiegel erforderlich (siehe Abschnitt „Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen“). Ist ein Monat nach Einsetzen der Nitisinonbehandlung noch immer Succinylaceton im Urin nachweisbar, sollte die Nitisinondosis auf 1,5 mg/kg Körpergewicht/Tag erhöht werden. Eine Dosis von 2 mg/kg Körpergewicht/Tag kann erforderlich sein, wenn die Auswertung aller biochemischen Parameter dies nahelegt. Diese Dosis sollte als Maximaldosis für alle Patienten betrachtet werden.

Bei zufriedenstellendem biochemischem Ansprechen sollte die Dosis nur bei einer Zunahme des Körpergewichts angepasst werden.

Allerdings kann, in Ergänzung zu oben genannten Tests, eine engmaschigere Kontrolle zusätzlich verfügbarer biochemischer Parameter (insbesondere des Succinylaceton-Plasmaspiegels, des 5-Aminolaevulinat (ALA)-Urinspiegels und der Erythrozytenporphobilinogen (PBG)-Synthaseaktivität) erforderlich sein, beispielsweise während der Einleitung der Therapie, nach dem Wechsel von einer zweimal täglichen auf eine einmal tägliche Dosierung oder bei Eintreten einer Verschlechterung.

Spezielle Patientengruppen

Es liegen keine speziellen Dosierungsempfehlungen für ältere Patienten oder Patienten mit Nieren- bzw. Leberschäden vor.

Kinder und Jugendliche

Die Dosierungsempfehlung in mg/kg Körpergewicht gilt für Kinder wie auch Erwachsene.

Da jedoch von Patienten mit einem Körpergewicht < 20 kg nur begrenzt Daten vorliegen, wird empfohlen, die Tagesgesamtdosis bei diesen Patienten auf zwei tägliche Gaben aufzuteilen.

Art der Anwendung

Nityr Tabletten werden mit Wasser eingenommen.

Bei der Einnahme von Nityr ist eine eingeschränkte Aufnahme von Tyrosin und Phenylalanin mit der Nahrung einzuhalten.

Nityr Tabletten können während dem Essen oder unabhängig vom Essen eingenommen werden.

Nitisinon wurde während der Gewinnung der Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsstudie mit Mahlzeiten gegeben. Daher wird empfohlen, dass bei der Einleitung der Nitisinonbehandlung zusammen mit einer Mahlzeit diese Praxis auch routinemässig weitergeführt wird.

Patienten, die halbfeste Nahrung einnehmen können, können die Nityr-Tabletten zermörsern und mit Apfelmus vermischt einnehmen.

Die Verabreichung von Nityr zusammen mit anderen Flüssigkeiten oder Nahrungsmitteln wurde nicht untersucht und wird nicht empfohlen.

Zubereitung und Verabreichung von Nityr in Apfelmus:

1.Ca. 1 Teelöffel Apfelmus abmessen und in ein sauberes Gefäss (z. B. ein sauberes Glas) geben.

2.Immer nur eine Tablette auf einmal zermörsern. Die Tablette zwischen zwei Metalllöffel legen und leichten Druck auf den oberen Löffel ausüben. Um ein feines Pulver zu erhalten, sollten sich die beiden Teelöffel überlappen.

3.Die beiden Teelöffel solange mehrmals gegeneinander drücken und drehen, bis die gesamte Tablette zu einem feinen Pulver wird.

4.Das entstandene Pulver vorsichtig in das Gefäss mit dem Apfelmus schütten. Dabei ist darauf zu achten, dass das gesamte Pulver verwendet wird und keine Pulverreste auf den Teelöffeln zurückbleiben.

5.Falls mehr als eine Tablette benötigt wird, das Vorgehen ab Schritt 2 wiederholen und das gesamte entstandene Pulver in das Gefäss mit dem Apfelmus geben.

6.Das Pulver in das Apfelmus einrühren bis es gut verteilt ist.

7.Die gesamte Nityr-Apfelmus-Mischung mit Hilfe eines Teelöffels in den Mund des Patienten verabreichen. Sofort verabreichen. Falls dies nicht möglich ist, kann die Mischung während bis zu 2 Stunden nach Zugabe der zermörserten Tabletten zum Apfelmus bei Raumtemperatur und geschützt vor direkter Sonneneinstrahlung aufbewahrt werden. Mischungen, die nicht innerhalb von 2 Stunden verabreicht worden sind, müssen entsorgt werden.

8.Um sicherzustellen, dass alle Reste der Apfelmusmischung aus dem Gefäss verwendet werden, ca. 1 Teelöffel Apfelmus in dasselbe Gefäss geben und das frische Apfelmus mit der restlichen Mischung vermengen.

9.Die zusätzliche Nityr-Apfelmus-Mischung unverzüglich mit Hilfe eines Teelöffels in den Mund des Patienten verabreichen.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der im Abschnitt Zusammensetzung genannten sonstigen Bestandteile.

Mit Nitisinon behandelte Mütter dürfen nicht stillen (siehe Abschnitte Schwangerschaft, Stillzeit und Präklinische Daten).

Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen

Erhöhter Tyrosinspiegel im Plasma, okuläre Symptome, Entwicklungsverzögerungen und Hyperkeratose

Nitisinon ist ein Inhibitor der 4-Hydroxyphenylpyruvat-Dioxygenase, eines Enzyms des Tyrosinstoffwechsels. Aus diesem Grund kann es bei Patienten mit HT-1 bei einer Therapie mit Nityr zu einem erhöhten Tyrosinspiegel im Plasma kommen. Während einer Therapie mit Nityr muss die Aufnahme von Tyrosin und Phenylalanin mit der Nahrung eingeschränkt werden. Die Dosierung von Nityr darf nicht angepasst werden, um die Tyrosin-Plasmakonzentration zu senken. Die Tyrosin-Plasmakonzentration muss unter 500 μmol/l liegen. Eine ungenügende Einschränkung der Tyrosin- und Phenylalaninzufuhr kann zu einem erhöhten Tyrosinspiegel im Plasma führen. Werte von über 500 μmol/l können zu folgenden Erscheinungen führen:

·Okuläre Zeichen und Symptome einschliesslich Hornhautulkus, Hornhauttrübung, Keratitis, Konjunktivitis, Augenschmerzen und Photophobie wurden bei Patientinnen und Patienten, die mit Nitisinon behandelt wurden, gemeldet (siehe Abschnitt „Unerwünschte Wirkungen).

Aus diesem Grund wird vor Beginn der Nityr-Therapie eine ophthalmologische Untersuchung einschliesslich Spaltlampenuntersuchung empfohlen. Patientinnen und Patienten, die während der Nityr-Therapie Photophobie, Augenschmerzen oder Anzeichen einer Entzündung wie Rötung, Schwellung oder Brennen der Augen entwickeln, sollten sich erneut einer Spaltlampenuntersuchung unterziehen. Ausserdem ist unverzüglich ihre Tyrosin-Plasmakonzentration zu messen.

·Unterschiedliche Ausprägungen von geistiger Behinderung und Entwicklungsverzögerung. Bei Patienten unter Nityr, bei denen eine abrupte Veränderung des neurologischen Status auftritt, ist eine klinische Laboruntersuchung einschliesslich Messung des Tyrosinspiegels im Plasma durchzuführen.

·Schmerzhafte Keratosen an Fusssohlen und Handflächen

Bei Patienten mit HT-1, die mit Nityr und Ernährungseinschränkungen behandelt werden und die erhöhte Tyrosin-Plasmawerte entwickeln, ist die Aufnahme von Tyrosin und Phenylalanin mit der Nahrung zu prüfen.

Leukopenie und schwere Thrombozytopenie

In klinischen Studien traten bei Patienten, die mit einer anderen oralen Formulierung von Nitisinon sowie Ernährungseinschränkungen behandelt wurden, eine transiente Leukopenie (3%), eine Thrombozytopenie (3%) oder beides (1,5%) auf (siehe Abschnitt „Unerwünschte Wirkungen“). Bei keinem Patienten kam es infolge der Leukopenie- oder Thrombozytopenie-Episoden zu Infektionen oder Blutungen. Während der Nityr-Therapie ist die Thrombozyten- und Leukozytenkonzentration zu überwachen.

Überwachung der Leberfunktion

Die Leberfunktion muss regelmässig mittels Leberfunktionsprüfungen und geeigneten Bildgebungsverfahren überwacht werden. Ausserdem wird eine Überwachung des Alpha-Fetoprotein-Serumspiegels empfohlen. Ein Anstieg der Alpha-Fetoprotein-Serumkonzentration könnte ein Hinweis auf eine unangemessene Behandlung sein. Patienten mit ansteigendem Alpha-Fetoprotein oder Hinweisen auf knotige Veränderungen des Leberparenchyms müssen stets im Hinblick auf eine maligne Lebererkrankung untersucht werden.

Die Überwachung der Therapie sollte alle 6 Monate erfolgen; beim Auftreten unerwünschter Ereignisse werden kürzere Abstände empfohlen.

Gleichzeitige Anwendung mit anderen Arzneimitteln

Nitisinon ist ein mässiger Inhibitor von CYP 2C9. Die Behandlung mit Nitisinon kann daher zu erhöhten Plasmakonzentrationen von gleichzeitig angewendeten Arzneimitteln führen, die überwiegend durch CYP 2C9 metabolisiert werden. Mit Nitisinon behandelte Patienten, die gleichzeitig mit anderen Arzneimitteln behandelt werden, die über eine enge therapeutische Breite verfügen und durch CYP 2C9 metabolisiert werden, wie etwa Warfarin und Phenytoin, sollten sorgfältig überwacht werden. Eine Dosisanpassung dieser gleichzeitig angewendeten Arzneimittel kann erforderlich sein (siehe Abschnitt „Interaktionen“).

Nityr enthält Laktose: Patienten mit der seltenen hereditären Galactose-Intoleranz, völligem Lactase-Mangel oder Glucose-Galactose-Malabsorption sollten dieses Arzneimittel nicht anwenden.

Interaktionen

Es wurden keine formalen Interaktionsstudien durchgeführt.

Da Nitisinon in vitro durch CYP 3A4 metabolisiert wird, kann eine Dosisanpassung erforderlich sein, wenn Nitisinon gleichzeitig mit Inhibitoren oder Induktoren dieses Enzyms angewendet wird.

Auf der Grundlage von Daten einer klinischen Studie zur Erfassung von Wechselwirkungen mit 80 mg Nitisinon im Steady-State ist Nitisinon ein mässiger Inhibitor von CYP 2C9 (2,3-facher Anstieg der AUC von Tolbutamid), weshalb die Behandlung mit Nitisinon zu erhöhten Plasmakonzentrationen von gleichzeitig angewendeten Arzneimitteln führen kann, die überwiegend durch CYP 2C9 metabolisiert werden (siehe Abschnitt „Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen“).

Nitisinon ist ein schwacher Induktor von CYP 2E1 (Verringerung der AUC von Chlorzoxazon um 30 %) und ein schwacher Inhibitor von OAT1 und OAT3 (1,7-facher Anstieg der AUC von Furosemid), jedoch kein Inhibitor von CYP 2D6 (siehe Abschnitt Pharmakokinetik).

Mit Nityr wurde eine Studie zu Nahrungsmittelwechselwirkung durchgeführt. Diese Studie zeigte, dass - unabhängig ob eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme stattfand oder nicht - die Bioverfügbarkeit nicht beeinflusst wurde.

Schwangerschaft, Stillzeit

Schwangerschaft

Bisher liegen keine hinreichenden Erfahrungen mit der Anwendung von Nitisinon bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt (siehe Abschnitt „Präklinische Daten“). Das potentielle Risiko für den Menschen ist unbekannt. Nityr darf während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sein denn, dass der klinische Zustand der Frau eine Behandlung mit Nitisinon erfordert.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Nitisinon in die Muttermilch übergeht. In tierexperimentellen Studien wurden schädliche postnatale Effekte durch die Exposition mit Nitisinon über die Muttermilch gezeigt. Daher dürfen Mütter während der Behandlung mit Nitisinon nicht stillen, da ein Risiko für den gestillten Säugling nicht auszuschliessen ist (siehe Abschnitte Kontraindikationen und „Präklinische Daten“).

Fertilität

Es liegen keine Daten zur Auswirkung von Nitisinon auf die Fertilität vor.

Wirkung auf die Fahrtüchtigkeit und auf das Bedienen von Maschinen

Nityr hat einen geringen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen. Nebenwirkungen, welche die Augen betreffen (siehe Abschnitt „Unerwünschte Wirkungen“), können die Sehkraft beeinträchtigen. Bei beeinträchtigter Sehkraft sollte der Patient kein Fahrzeug führen und keine Maschinen bedienen, solange diese Beeinträchtigung besteht.

Unerwünschte Wirkungen

Zusammenfassung des Sicherheitsprofils

Nitisinon wurde in einer offenen, unkontrollierten Studie an 207 Patienten mit HT-1 im Alter von 0 bis 22 Jahren bei Studienbeginn (Durchschnittsalter 9 Monate) untersucht. Bei dieser Studienpopulation war zuvor HT-1 durch das Vorhandensein von Succinylaceton im Urin oder Plasma diagnostiziert worden. Die Initialdosis von Nitisinon betrug 0,3 bis 0,5 mg/kg zweimal täglich. Bei einigen Patienten wurde die Dosis aufgrund des Gewichts oder aufgrund von biochemischen Markern und Enzymmarkern auf 1 mg/kg zweimal täglich gesteigert. Die empfohlene Initialdosis von Nityr beträgt 0,5 mg/kg zweimal täglich (siehe Abschnitt „Dosierung/Anwendung). Die mittlere Therapiedauer betrug 22 Monate (0,1 bis 80 Monate).

Die schwerwiegendsten unerwünschten Wirkungen, die während der Nitisinon-Therapie gemeldet wurden, waren Thrombozytopenie, Leukopenie, Porphyrie und okuläre/visuelle Beschwerden in Verbindung mit erhöhten Tyrosinwerten (siehe Abschnitte „Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen). Bei 14 Patienten kam es zu okulären/visuellen Ereignissen. Die Dauer der Symptome betrug zwischen 5 Tagen und 2 Jahren. 6 Patienten erlitten eine Thrombozytopenie. 3 Patienten hatten einen Wert von 30’000 Thrombozyten/µl oder weniger.

Bei 4 Patienten mit Thrombozytopenie normalisierte sich die Thrombozytenzahl allmählich (im Laufe von bis zu 47 Tagen), ohne Anpassung der Nitisinondosis. Bei keinem Patienten kam es infolge der Leukopenie- oder Thrombozytopenie-Episoden zu Infektionen oder Blutungen.

 

Patienten mit HT-1 haben ein erhöhtes Risiko porphyrische Krisen, Leberneoplasmen und Leberversagen zu entwickeln, die eine Lebertransplantation erfordern.

Diese Komplikationen von HT-1 wurden bei Patienten in klinischen Studien beobachtet, die während 22 Monate mit Nitisinon behandelt wurden (Lebertransplantation 13%, Leberversagen 7%, maligne hepatische Neoplasmen 5%, benigne hepatische Neoplasmen 3%, Porphyrie 1%).

Die Unerwünschten Wirkungen sind im Folgenden nach der MedDRA-Systemorganklasse und -Häufigkeitskategorie aufgeführt und basieren auf Daten aus einer klinischen Studie und Anwendung nach der Markteinführung. Die Häufigkeit ist definiert als sehr häufig (≥1/10), häufig (≥1/100, <1/10), gelegentlich (≥1/1.000, <1/100), selten (≥1/10.000, <1/1.000), sehr selten (<1/10.000), nicht bekannt (Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar).

Innerhalb jeder Häufigkeitsgruppe werden die Unerwünschten Wirkungen nach abnehmendem Schweregrad angegeben.

Erkrankungen des Blutes und des Lymphsystems

Häufig: Thrombozytopenie, Leukopenie, Granulozytopenie

Gelegentlich: Leukozytose

Augenerkrankungen

Häufig: Konjunktivitis, Hornhauttrübung, Keratitis, Photophobie (Lichtscheuheit), Augenschmerzen

Erkrankungen der Haut und des Unterhautgewebes

Gelegentlich: Dermatitis exfoliativa, erythematöser Ausschlag, Pruritus

Untersuchungen

Sehr häufig: erhöhte Tyrosinkonzentration

Kinder und Jugendliche

Das Sicherheitsprofil basiert hauptsächlich auf der pädiatrischen Population, da eine Behandlung mit Nitisinon so früh wie möglich nach der Diagnose von hereditärer Tyrosinämie Typ 1 (HT-1) beginnen sollte. Daten aus klinischen Studien und nach der Markteinführung lassen nicht darauf schliessen, dass sich das Sicherheitsprofil bei verschiedenen Untergruppen der pädriatischen Population oder von jenem erwachsener Patienten unterscheidet.

Die Meldung des Verdachts auf Nebenwirkungen nach der Zulassung ist von grosser Wichtigkeit. Sie ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des Arzneimittels. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdacht einer neuen oder schwerwiegenden Nebenwirkung über das Online-Portal ElViS (Electronic Vigilance System) anzuzeigen. Informationen dazu finden Sie unter www.swissmedic.ch.

Überdosierung

Die unbeabsichtigte Einnahme von Nitisinon durch Personen mit normaler Ernährung (ohne Einschränkung der Aufnahme von Tyrosin und Phenylalanin) führt zu erhöhten Tyrosinkonzentrationen. Erhöhte Tyrosinkonzentrationen sind mit Nebenwirkungen auf Augen, Haut und das Nervensystem assoziiert. Eine Einschränkung von Tyrosin und Phenylalanin in der Ernährung sollte die mit dieser Art von Tyrosinämie assoziierten Nebenwirkungen begrenzen. Es stehen keine Informationen zur spezifischen Behandlung einer Überdosierung zur Verfügung.

Eigenschaften/Wirkungen

ATC-Code

Pharmakotherapeutische Gruppe: Andere Mittel für das alimentäre System und den Stoffwechsel, Sonstige Mittel für das alimentäre System und den Stoffwechsel.

ATC-Code: A16AX04.

Wirkungsmechanismus

Der biochemische Defekt bei angeborener Tyrosinämie Typ 1 (HT-1) ist ein Mangel an Fumarylacetoacetathydrolyase, dem Endenzym des Tyrosinkatabolismus. Nitisinon ist ein kompetitiver Inhibitor der 4-Hydroxyphenylpyruvatdioxygenase, eines Enzyms, das im Tyrosinkatabolismus der Fumarylacetoacetathydrolase vorausgeht. Durch die Hemmung des normalen Tyrosinabbaustoffwechsels bei Patienten mit HT-1 verhindert Nitisinon die Ansammlung der toxischen Zwischenprodukte Maleylacetoacetat und Fumarylacetoacetat. Bei Patienten mit HT-1 werden diese Zwischenprodukte zu den toxischen Metaboliten Succinylaceton und Succinylacetoacetat umgewandelt. Succinylaceton hemmt die Porphyrinsynthese, wodurch es zur Ansammlung von 5-Aminolaevulinat kommt.

Pharmakodynamik

Die Nitisinonbehandlung führt zu einem normalisierten Porphyrinstoffwechsel mit normaler Porphobilinogen-Synthaseaktivität in den Erythrozyten und normalem 5-Aminolävulinat-Urinspiegel, zu einer verringerter Ausscheidung von Succinylaceton im Harn, zu einem Anstieg der Tyrosinkonzentration im Plasma und zu einer erhöhter Ausscheidung von Phenolsäuren im Harn. Die verfügbaren Daten aus einer klinischen Studie weisen darauf hin, dass sich bei über 90% der Patienten der Succinylaceton-Urinspiegel während der ersten Behandlungswoche normalisiert. Succinylaceton sollte bei richtig eingestellter Nitisinondosis im Urin oder Plasma nicht nachweisbar sein.

Klinische Wirksamkeit

Die Sicherheit und Wirksamkeit von Nityr wurden anhand von Studien mit einer anderen oralen Formulierung von Nitisinon bei Patienten mit HT-1 nachgewiesen. Nachfolgend werden die Ergebnisse dieser Studien dargestellt.

Die Sicherheit und Wirksamkeit von Nitisinon bei Patienten mit HT-1 wurden in einer offenen, unkontrollierten Studie an 207 Patienten mit HT-1 im Alter von 0 bis 22 Jahren bei Studienbeginn (Durchschnittsalter 9 Monate) untersucht. Bei diesen Patienten war HT-1 durch das Vorhandensein von Succinylaceton im Urin oder Plasma diagnostiziert worden. Alle Patienten erhielten Nitisinon in einer Initialdosis von 0,3 bis 0,5 mg/kg zweimal täglich. Bei einigen Patienten wurde die Dosis auf 1 mg/kg zweimal täglich gesteigert, aufgrund von Gewicht, Leber- und Nierenfunktionstests, Thrombozytenwerten, Aminosäuren im Serum, Phenolsäure im Urin, Succinylaceton in Plasma und Urin, PBG-Synthase in den Erythrozyten und 5-ALA im Urin. Die mittlere Therapiedauer betrug 22 Monate (weniger als 1 Monat bis 80 Monate). Die Wirksamkeit wurde durch einen Vergleich der Überlebensrate und der Häufigkeit von Lebertransplantationen mit historischen Kontrollen bewertet.

In dieser klinischen Studie betrug die 2- bzw. 4-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten mit HT-1 im Alter von weniger als 2 Monaten, die mit Ernährungseinschränkungen und Nitisinon behandelt wurden, 88% bzw. 88%. Daten aus historischen Kontrollen ergaben, dass Patienten mit HT-1 im Alter von weniger als 2 Monaten, die nur mit einer Ernährungseinschränkung behandelt wurden, eine 2- bzw. 4-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von 29% bzw. 29% hatten. Bei Patienten im Alter zwischen 2 und 6 Monaten, die mit Ernährungseinschränkungen und Nitisinon behandelt wurden, lag die 2- bzw. 4-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit bei 94% bzw. 94%. Daten aus historischen Kontrollen ergaben, dass Patienten mit HT-1 im Alter zwischen 2 und 6 Monaten, die nur mit einer Ernährungseinschränkung behandelt wurden, eine 2- bzw. 4-Jahres-Überlebens-wahrscheinlichkeit von 74% bzw. 60% hatten.

In dieser klinischen Studie wurden auch die Auswirkungen auf Succinylaceton in Urin und Plasma, Porphyrin-Stoffwechsel und Alpha-1-Mikroglobulin im Urin untersucht.

Succinylaceton im Urin wurde bei 186 Patienten gemessen. Bei allen 186 Patienten sank der Succinylacetonspiegel im Urin auf weniger als 1 mmol/mol Kreatinin. Die mittlere Normalisierungszeit betrug 0,3 Monate. Die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens abnormaler Werte von Succinylaceton im Urin lag bei einer Nitisinon-Konzentration von 37 μmol/l bei 1% (95% Konfidenzintervall: 23,51 μmol/l). Succinylaceton im Plasma wurde bei 172 Patienten festgestellt. Bei 150 Patienten (87%) sank das Succinylaceton im Plasma auf weniger als 0,1 μmol/l. Die mittlere Normalisierungszeit betrug 3,9 Monate.

Porphyrieähnliche Krisen wurden im Studienverlauf bei 3 Patienten berichtet (jährlich 0,3% der Fälle). Dies steht im Vergleich zu einer Inzidenz von jährlich 5 bis 20% der Fälle, die als Teil des natürlichen Krankheitsverlaufs erwartet wird.

Eine Bewertung der porphyrieähnlichen Krisen wurde durchgeführt, weil diese Ereignisse häufig bei Patienten mit HT-1 auftreten, die nicht mit Nitisinon therapiert werden.

Zu Studienbeginn wurde Alpha-1-Mikroglobulin im Urin, ein empfohlener Marker für eine proximale tubuläre Dysfunktion, bei 100 Patienten gemessen. Der Medianwert vor der Behandlung lag insgesamt bei 4,3 g/mol Kreatinin. Nach einjähriger Therapie sank in einer Untergruppe von Patienten (N=100) der Medianwert von Alpha-1-Mikroglobulin um 1,5 g/mol Kreatinin. Bei Patienten im Alter von 24 Monaten und jünger, bei denen mehrere Werte vorlagen (N=65), sank der mediane Alpha-1-Mikroglobulinspiegel von 5 auf 3 g/mol Kreatinin (Referenzwert für das Alter kleiner oder gleich 12 g/mol Kreatinin). Bei Patienten, die älter als 24 Monate waren und bei denen mehrere Werte vorlagen (N=35), sank der mediane Alpha-1-Mikroglobulinspiegel von 2,8 auf 2 g/mol Kreatinin (Referenzwert für das Alter kleiner oder gleich 6 g/mol Kreatinin).

Der Langzeiteffekt von Nitisinon auf die Leberfunktion wurde nicht bewertet.

In einer Studie mit 19 HT-1-Patienten wurden die Pharmakokinetik, Wirksamkeit und Sicherheit der einmal täglichen Dosierung mit der zweimal täglichen Dosierung verglichen. Zwischen der einmal täglichen und der zweimal täglichen Dosierung wurden keine klinisch bedeutsamen Unterschiede hinsichtlich der unerwünschten Ereignisse (UE) oder anderer Sicherheitsbeurteilungen festgestellt. Bei keinem der Patienten war am Ende der einmal täglichen Behandlungsperiode Succinylaceton (SA) nachweisbar. Die Studie deutet darauf hin, dass die einmal tägliche Gabe in allen Altersgruppen der Patienten sicher und wirksam ist. Die Daten zu Patienten mit einem Körpergewicht < 20 kg sind jedoch begrenzt.

Pharmakokinetik

Absorption

Bisher wurden keine formalen Absorptions-, Verteilungs-, Stoffwechsel- und Ausscheidungsstudien mit Nitisinon durchgeführt. Bei 23 gesunden Probanden betrug die (mediane) Endhalbwertzeit von Nitisinon in Plasma nach Gabe einer Einzeldosis von Nitisinontabletten (10 mg) 59 Stunden (zwischen 41 und 74 Stunden).

Distribution

Siehe unter Absorption.

Metabolismus

In In-vitro-Studien unter Anwendung von humanen Lebermikrosomen und cDNA-exprimierten P450-Enzymen wurde eine beschränkte CYP 3A4-vermittelte Metabolisierung nachgewiesen.

Auf der Grundlage von Daten einer klinischen Studie zur Erfassung von Wechselwirkungen mit 80 mg Nitisinon im Steady-State verursachte Nitisinon einen 2,3-fachen Anstieg der AUC des CYP 2C9-Substrats Tolbutamid, was auf eine mässige Hemmung von CYP 2C9 hindeutet. Nitisinon verursachte eine Verringerung der AUC von Chlorzoxazon um etwa 30 %, was auf eine schwache Induktion von CYP 2E1 hindeutet. Nitisinon ist kein Inhibitor von CYP 2D6, denn die AUC von Metoprolol wurde durch die Anwendung von Nitisinon nicht beeinflusst. Die AUC von Furosemid stieg um das 1,7-Fache an, was auf eine schwache Hemmung von OAT1/OAT3 hindeutet (siehe Abschnitte „Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen“ und „Interaktionen“). Auf der Grundlage von In-vitro-Studien ist nicht zu erwarten, dass Nitisinon den durch CYP 1A2, 2C19 oder 3A4 vermittelten Metabolismus hemmt oder CYP 1A2, 2B6 oder 3A4/5 induziert. Es ist nicht zu erwarten, dass Nitisinon den durch P-gp, BCRP oder OCT2 vermittelten Transport hemmt. Es wird nicht erwartet, dass die im klinischen Umfeld erreichte Plasmakonzentration von Nitisinon den durch OATP1B1 oder OATP1B3 vermittelten Transport hemmt.

Elimination

Siehe unter Absorption.

Präklinische Daten

Nitisinon zeigte embryofetale Toxizität bei Maus und Kaninchen unter klinisch relevanten Dosierungen. Beim Kaninchen induzierte Nitisinon einen dosisabhängigen Anstieg von Missbildungen (Nabelhernie und Gastroschisis) ab einer 2,5-fachen maximalen empfohlenen humantherapeutischen Dosierung (2 mg/kg/Tag).

Eine Studie zur prä- und postnatalen Entwicklung an Mäusen zeigte eine statistisch signifikante Reduzierung der Überlebensraten und des Wachstums der Nachkommen während der Abstillperiode bei Dosierungen in Höhe des 125- bzw. des 25-fachen der maximalen empfohlenen humantherapeutischen Dosis, mit Tendenz zu einem negativen Effekt hinsichtlich des Überlebens der Nachkommen ab einer Dosis von 5 mg/kg/Tag. Bei Ratten führte eine Exposition über die Milch zu einer Verringerung des durchschnittlichen Gewichts der Nachkommen sowie zu Hornhautläsionen.

In In-vitro-Studien wurden keine mutagenen Effekte, aber schwache klastogene Effekte beobachtet. Hinweise auf eine In-vivo-Genotoxizität wurden nicht festgestellt (Mikrokerntest an der Maus und Test zur unplanmässigen DNA-Synthese an Mausleber). Nitisinon zeigte in einer 26-wöchigen Studie zur Karzinogenität an transgenen Mäusen (TgrasH2) kein kanzerogenes Potential.

Sonstige Hinweise

Inkompatibilitäten

Nicht zutreffend.

Haltbarkeit

Das Arzneimittel darf nur bis zu dem auf dem Behälter mit „EXP“ bezeichneten Datum verwendet werden.

Besondere Lagerungshinweise

Bei Raumtemperatur (15-25°C) lagern. Ausser Reichweite von Kindern aufbewahren.

Den Behälter fest verschlossen im Umkarton aufbewahren, um den Inhalt vor Licht zu schützen.

Zulassungsnummer

67970 (Swissmedic)

Packungen

Tabletten zu 2 mg, 5 mg und 10 mg: 60 (B)

Zulassungsinhaberin

Curatis AG, 4410 Liestal

Stand der Information

Ausländisches Vergleichsarzneimittel: Februar 2020

Mit sicherheitsrelevanten Ergänzungen von Swissmedic: Januar 2022