Fachinformation

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Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, den Verdacht einer neuen oder schwerwiegenden Nebenwirkung zu melden. Hinweise zur Meldung von Nebenwirkungen, siehe Rubrik «Unerwünschte Wirkungen».

Orladeyo® 150 mg Hartkapseln

Zusammensetzung

Wirkstoffe

Berotralstat (als Berotralstatdihydrochlorid)

Hilfsstoffe

Vorverkleisterte Stärke, Crospovidon (Typ A), hochdisperses Siliciumdioxid, Magnesiumstearat.

Kapselhülle: Gelatine, Titandioxid, Indigotin, schwarzes Eisenoxid, rotes Eisenoxid.

Drucktinte: Schellack, Propylenglycol, Kaliumhydroxid, schwarzes Eisenoxid.

Darreichungsform und Wirkstoffmenge pro Einheit

Jede Hartkapsel enthält 150 mg Berotralstat (als Dihydrochlorid).

Kapsel (19,4 mm × 6,9 mm) mit weissem, undurchsichtigem Körper mit dem Aufdruck „150“ und einer hellblauen, undurchsichtigen Kappe mit dem Aufdruck „BCX“.

Indikationen/Anwendungsmöglichkeiten

Orladeyo wird angewendet bei erwachsenen und jugendlichen Patienten ab einem Alter von 12 Jahren zur routinemässigen Prävention wiederkehrender Attacken des hereditären Angioödems (HAE).

Dosierung/Anwendung

Übliche Dosierung

Die empfohlene Dosis für Erwachsene und Jugendliche ab einem Alter von 12 Jahren mit einem Gewicht von ≥ 40 kg beträgt 150 mg Berotralstat einmal täglich.

Orladeyo ist nicht zur Behandlung akuter HAE-Attacken vorgesehen (siehe Rubrik «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen»).

Spezielle Dosierungsanweisungen

Leberfunktionsstörung

Bei Patienten mit leichter Leberfunktionsstörung ist keine Dosisanpassung erforderlich. Die Anwendung von Berotralstat bei Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klasse B oder C) ist zu vermeiden (siehe Rubrik «Pharmakokinetik»).

Nierenfunktionsstörung

Bei Patienten mit leichter oder mittelschwerer Nierenfunktionsstörung ist keine Dosisanpassung erforderlich. Bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung sollte die Anwendung von Berotralstat möglichst vermieden werden. Wenn eine Behandlung erforderlich ist, ist eine angemessene Überwachung (z. B. EKG) in Erwägung zu ziehen (siehe Rubrik «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen»).

Es liegen keine klinischen Daten zur Anwendung von Berotralstat bei Patienten mit dialysepflichtiger terminaler Niereninsuffizienz (End-Stage Renal Disease, ESRD) vor. Aus Vorsichtsgründen sollte die Anwendung von Berotralstat bei Patienten mit ESRD vermieden werden (siehe Rubrik «Pharmakokinetik»).

Ältere Patienten

Bei Patienten über 65 Jahren ist keine Dosisanpassung erforderlich (siehe Rubriken «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen» und «Pharmakokinetik»).

Kinder und Jugendliche

Die Sicherheit und Wirksamkeit von Berotralstat bei Kindern unter 12 Jahren ist bisher noch nicht erwiesen. Es liegen keine Daten vor.

Verspätete Dosisgabe

Wenn eine Dosis Berotralstat versäumt wird, sollte der Patient die versäumte Dosis so schnell wie möglich einnehmen, ohne die Menge von einer Dosis pro Tag zu überschreiten.

Art der Anwendung

Orladeyo ist zum Einnehmen. Die Kapsel kann zu einer beliebigen Tageszeit zusammen mit Nahrung eingenommen werden (siehe Rubrik «Pharmakokinetik»).

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der Hilfsstoffe (siehe Rubrik «Zusammensetzung»).

Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen

Allgemeine Hinweise

Orladeyo ist nicht zur Behandlung akuter HAE-Attacken vorgesehen; es ist eine individuelle Behandlung mit einem für die Akutbehandlung zugelassenen Arzneimittel einzuleiten.

 

Es liegen keine klinischen Daten zur Anwendung von Berotralstat bei HAE-Patienten mit normaler Aktivität des C1-Esterase-Inhibitors (C1-INH) vor.

 

Es liegen keine Daten zur Anwendung von Berotralstat bei Patienten mit einem Gewicht von weniger als 40 kg vor, und die Anwendung von Berotralstat bei diesen Patienten ist zu vermeiden.

QT-Verlängerung

Bei Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Leberfunktionsstörung können erhöhte Berotralstat-Konzentrationen im Serum auftreten, die mit einem Risiko einer verlängerten QT-Zeit einhergehen. Die Anwendung von Berotralstat bei diesen Patienten ist zu vermeiden.

 

Bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung kann ein Risiko einer verlängerten QT-Zeit vorliegen. Die Anwendung von Berotralstat bei diesen Patienten sollte möglichst vermieden werden. Wenn eine Behandlung erforderlich ist, ist eine angemessene Überwachung (z. B. EKG) in Erwägung zu ziehen.

 

Es liegen keine Daten zur Anwendung von Berotralstat bei Patienten mit unabhängigen Risikofaktoren für eine Verlängerung der QT-Zeit vor, wie z. B. Elektrolytstörungen, bekannte vorbestehende Verlängerung der QT-Zeit (entweder erworben oder erblich), fortgeschrittenes Alter (siehe Rubrik «Dosierung/Anwendung») oder gleichzeitige Anwendung anderer Arzneimittel, die bekanntermassen die QT-Zeit verlängern. Die Anwendung von Berotralstat bei diesen Patienten sollte möglichst vermieden werden. Wenn eine Behandlung erforderlich ist, ist eine angemessene Überwachung (z. B. EKG) in Erwägung zu ziehen.

Interaktionen

Berotralstat ist ein Substrat von P-Glykoprotein (P-gp) und Breast Cancer Resistance Protein (BCRP).

Wirkungen von Berotralstat auf andere Arzneimittel

CYP3A4-Substrate

Berotralstat ist ein moderater Inhibitor von CYP3A4 und erhöht die Höchstkonzentration im Steady-State (Cmax) und die AUC von oralem Midazolam um 45 % bzw. 124 % und die Cmax und AUC von Amlodipin um 45 % bzw. 77 %. Die gleichzeitige Anwendung kann die Konzentrationen anderer Arzneimittel, die CYP3A4-Substrate sind, erhöhen. Entsprechende Informationen sind der Fachinformation gleichzeitig angewendeter Arzneimittel, die überwiegend über CYP3A4 metabolisiert werden, zu entnehmen, insbesondere bei Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite (z. B. Ciclosporin, Fentanyl). Bei diesen Arzneimitteln können Dosisanpassungen erforderlich sein (siehe Rubrik «Pharmakokinetik»).

CYP2D6-Substrate

Berotralstat ist ein moderater Inhibitor von CYP2D6 und erhöht die Cmax und die AUC von Dextromethorphan um 196 % bzw. 177 % und die Cmax und die AUC von Desipramin um 64 % bzw. 87 %. Die gleichzeitige Anwendung kann die Exposition gegenüber anderen Arzneimitteln, die CYP2D6-Substrate sind, erhöhen. Entsprechende Informationen sind der Fachinformation gleichzeitig angewendeter Arzneimittel, die überwiegend über CYP2D6 metabolisiert werden, zu entnehmen, insbesondere bei Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite (z. B. Thioridazin, Pimozid) oder bei Arzneimitteln, deren Fachinformation eine therapeutische Überwachung empfiehlt (z. B. trizyklische Antidepressiva). Bei diesen Arzneimitteln können Dosisanpassungen erforderlich sein (siehe Rubrik «Pharmakokinetik»).

CYP2C9-Substrate

Berotralstat ist ein schwacher Inhibitor von CYP2C9 und erhöht die Cmax und die AUC von Tolbutamid um 19 % bzw. 73 %. Bei gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln, die überwiegend über CYP2C9 metabolisiert werden (z. B. Tolbutamid), wird keine Dosisanpassung empfohlen (siehe Rubrik «Pharmakokinetik»).

Die Wirkung von Berotralstat auf die Umwandlung von Desogestrel zu Etonogestrel (aktiver Metabolit) durch CYP2C9 war vernachlässigbar. Bei gleichzeitiger Anwendung von Desogestrel wird keine Dosisanpassung empfohlen.

CYP2C19-Substrate

Berotralstat ist kein Inhibitor von CYP2C19, da die Cmax und die AUC von Omeprazol lediglich um 21 % bzw. 24 % erhöht waren. Bei gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln, die überwiegend über CYP2C19 metabolisiert werden (z. B. Omeprazol), wird keine Dosisanpassung empfohlen (siehe Rubrik «Pharmakokinetik»).

P-gp-Substrate

Berotralstat ist ein schwacher Inhibitor von P-gp und erhöht die Cmax und die AUC des P-gp-Substrats Digoxin um 58 % bzw. 48 %. Entsprechende Informationen sind der Fachinformation gleichzeitig angewendeter Arzneimittel, die P-gp-Substrate sind, zu entnehmen, insbesondere bei Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite (z. B. Digoxin) oder bei Arzneimitteln, deren Fachinformation eine therapeutische Überwachung empfiehlt (z. B. Dabigatran). Bei diesen Arzneimitteln können Dosisanpassungen erforderlich sein (siehe Rubrik «Pharmakokinetik»).

Orale Empfängnisverhütungsmittel

Als moderater Inhibitor von CYP3A4 kann Berotralstat die Konzentrationen oraler Kontrazeptiva, die über CYP3A4 metabolisiert werden, erhöhen. Die gleichzeitige Anwendung von Berotralstat mit Desogestrel erhöhte die AUC von Etonogestrel (aktiver Metabolit) um 58 %, die Cmax war nicht beeinflusst. Die Wirkung von Berotralstat auf die Umwandlung von Desogestrel zu Etonogestrel durch CYP2C9 war vernachlässigbar. Bei gleichzeitiger Anwendung von Desogestrel wird keine Dosisanpassung empfohlen.

Wirkungen anderer Arzneimittel auf Berotralstat

P-gp- und BCRP-Inhibitoren

Ciclosporin, ein Inhibitor von P-gp und BCRP, erhöhte Cmax von Berotralstat um 25 % und die Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve (AUC) von Berotralstat um 55 %. Die Exposition gegenüber Berotralstat kann bei gleichzeitiger Anwendung von P-gp- und BCRP-Inhibitoren erhöht sein, aber es ist keine Dosisanpassung erforderlich. Bei gleichzeitiger Anwendung von P-gp- und BCRP-Inhibitoren wird eine engmaschige Überwachung auf unerwünschte Ereignisse empfohlen.

P-gp- und BCRP-Induktoren

Berotralstat ist ein Substrat von P-gp und BCRP. P-gp- und BCRP-Induktoren (z. B. Rifampicin, Johanniskraut) können die Plasmakonzentration von Berotralstat reduzieren, was zu einer verminderten Wirksamkeit von Berotralstat führt. Die Anwendung von P-gp-Induktoren zusammen mit Berotralstat wird nicht empfohlen.

Schwangerschaft, Stillzeit

Frauen im gebärfähigen Alter

Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung mit Berotralstat und mindestens 1 Monat lang nach der letzten Dosis eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Berotralstat wird bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine Verhütung anwenden, nicht empfohlen (siehe Rubrik «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen»).

Schwangerschaft

Bisher liegen keine oder nur sehr begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Berotralstat bei Schwangeren vor. Es liegen keine ausreichenden tierexperimentellen Studien in Bezug auf eine Reproduktionstoxizität vor (siehe Rubrik «Präklinische Daten»).

Die Anwendung von Berotralstat während der Schwangerschaft wird nicht empfohlen.

Stillzeit

Die zur Verfügung stehenden pharmakodynamischen/toxikologischen Daten vom Tier zeigten, dass Berotralstat in die Milch übergeht (siehe Rubrik «Präklinische Daten»).

Ein Risiko für das gestillte Kind kann nicht ausgeschlossen werden.

Es muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit Orladeyo verzichtet werden soll/die Behandlung mit Orladeyo zu unterbrechen ist. Dabei ist sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Frau zu berücksichtigen.

Fertilität

In tierexperimentellen Studien wurden keine Auswirkungen auf die Fertilität beobachtet (siehe Rubrik «Präklinische Daten»).

Wirkung auf die Fahrtüchtigkeit und auf das Bedienen von Maschinen

Orladeyo hat keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.

Unerwünschte Wirkungen

Zusammenfassung des Sicherheitsprofils

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Abdominalschmerz (alle Bereiche) (von 21 % der Patienten berichtet), Diarrhö (von 15 % der Patienten berichtet) und Kopfschmerzen (von 13 % der Patienten berichtet). Die gastrointestinalen Ereignisse wurden überwiegend in den ersten 1 bis 3 Monaten der Anwendung von Orladeyo berichtet (im Median war der Tag des Einsetzens Tag 66 für Abdominalschmerz und Tag 45 für Diarrhö), und sie klangen ohne Anwendung irgendwelcher Arzneimittel ab, während die Behandlung mit Orladeyo fortgesetzt wurde. Fast alle Ereignisse (99 %) im Zusammenhang mit Abdominalschmerz waren leicht bis mittelschwer, wobei die mediane Dauer 3,5 Tage betrug (95-%-KI, 2-8 Tage). Fast alle Ereignisse (98 %) im Zusammenhang mit Diarrhö waren leicht bis mittelschwer, wobei die mediane Dauer 3,2 Tage betrug (95-%-KI, 2-8 Tage).

Tabellarische Auflistung der Nebenwirkungen

Die Sicherheit von Orladeyo wurde in klinischen Langzeitstudien bei 381 Patienten mit HAE (sowohl unkontrolliert und offen als auch placebokontrolliert und verblindet) untersucht. Die Nebenwirkungen sind nachfolgend nach MedDRA-Systemorganklasse und Häufigkeit aufgeführt. Die Häufigkeiten werden wie folgt definiert: sehr häufig (≥ 1/10), häufig (≥ 1/100, < 1/10), gelegentlich (≥ 1/1000, < 1/100), selten (≥ 1/10000, < 1/1000), sehr selten (< 1/10000) und nicht bekannt (Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar). Innerhalb der einzelnen Häufigkeitsgruppen werden die Nebenwirkungen nach abnehmendem Schweregrad angegeben.

 

Tabelle 1: In klinischen Studien beobachtete Nebenwirkungen

Systemorganklasse

Häufigkeit

Nebenwirkungen

Erkrankungen des Nervensystems

Sehr häufig

Kopfschmerzena

Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts

Sehr häufig

Abdominalschmerzb, Diarrhöc

Häufig

Erbrechen, gastroösophagealer Reflux, Flatulenz

Erkrankungen der Haut und des Unterhautgewebes

Häufig

Ausschlag

Untersuchungend

Häufig

ALT erhöht, AST erhöht

a Umfasst die Ereignisse Kopfschmerzen, Sinuskopfschmerzen

b Umfasst die Ereignisse Abdominalschmerz, abdominale Beschwerden, Schmerzen Oberbauch, Schmerzen Unterbauch, epigastrische Beschwerden, abdominaler Druckschmerz

c Umfasst die Ereignisse Diarrhö, Stuhl weich, häufige Darmentleerungen

d Erhöhungen der Werte in Leberfunktionstests, die sich im Allgemeinen mit oder ohne Absetzen von Berotralstat besserten, wurden bei einigen Patienten beobachtet, und zwar hauptsächlich bei solchen Patienten, die innerhalb von 14 Tagen nach Beginn einer Orladeyo-Behandlung eine Androgentherapie absetzten. Ein abruptes Absetzen von Androgenen unmittelbar vor Beginn der Behandlung mit Orladeyo ist zu vermeiden.

Pädiatrische Population

Die Sicherheit von Orladeyo wurde in klinischen Studien in einer Untergruppe von 28 jugendlichen Patienten im Alter von 12 bis < 18 Jahren mit einem Gewicht von mindestens 40 kg untersucht. Das Sicherheitsprofil war dem bei Erwachsenen beobachteten ähnlich.

Die Meldung des Verdachts auf Nebenwirkungen nach der Zulassung ist von grosser Wichtigkeit. Sie ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des Arzneimittels. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdacht einer neuen oder schwerwiegenden Nebenwirkung über das Online-Portal ElViS (Electronic Vigilance System) anzuzeigen. Informationen dazu finden Sie unter www.swissmedic.ch.

Überdosierung

In klinischen Studien wurden keine Fälle von Überdosierung berichtet. Es liegen keine Informationen zur Identifizierung potenzieller Anzeichen und Symptome einer Überdosierung vor. Sollten Symptome auftreten, wird eine symptomatische Behandlung empfohlen. Es ist kein Antidot verfügbar.

Eigenschaften/Wirkungen

ATC-Code

B06AC06

Pharmakotherapeutische Gruppe: Andere Hämatologika, Mittel zur Behandlung des Hereditären Angioödems.

Wirkungsmechanismus

Berotralstat ist ein Inhibitor von Plasma-Kallikrein. Plasma-Kallikrein ist eine Serinprotease, die hochmolekulares Kininogen (High-Molecular Weight Kininogen, HMWK) spaltet und somit Bradykinin freisetzt, einen starken Vasodilatator, der die Gefässpermeabilität erhöht. Bei Patienten mit HAE aufgrund eines Mangels oder einer Dysfunktion von C1-INH ist die normale Regulierung der Plasma-Kallikrein-Aktivität beeinträchtigt, was zu unkontrollierten Erhöhungen der Plasma-Kallikrein-Aktivität und der Bradykinin-Freisetzung führt und somit HAE-Attacken verursacht, die sich in Schwellungen (Angioödem) äussern.

Elektrophysiologie des Herzens

Bei der Steady-State-Cmax von Berotralstat unter der empfohlenen Dosis von 150 mg einmal täglich erhöhte sich das mittlere korrigierte QT-Intervall um 3,4 Millisekunden (obere Grenze des 90-%-KI 6,8 Millisekunden), was unter der Schwelle für einen besorgniserregenden Wert von 10 Millisekunden liegt. Bei einer supratherapeutischen Dosis von 450 mg einmal täglich waren die Expositionen im Steady-State 4-mal höher als bei der empfohlenen 150-mg-Dosis, und das korrigierte QT-Intervall erhöhte sich im Mittel um 21,9 Millisekunden.

Pharmakodynamik

Siehe Rubrik «Wirkungsmechanismus»

Klinische Wirksamkeit

Die Wirksamkeit von Berotralstat wurde in der multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Parallelgruppenstudie NCT 03485911 untersucht.

Studie NCT 03485911

Diese Studie umfasste 120 Patienten (114 Erwachsene und 6 Kinder ab einem Alter von 12 Jahren) mit HAE Typ I oder II, bei denen innerhalb der ersten 8 Wochen der Einleitungsphase mindestens zwei vom Prüfarzt bestätigte Attacken aufgetreten sind und die mindestens eine Dosis der Studienbehandlung eingenommen hatten. Neun Patienten waren im Alter von ≥ 65 Jahren. Die Patienten wurden für die 24-wöchige Behandlungsphase in einen von drei parallelen Behandlungsarmen randomisiert, stratifiziert nach Attackenrate zu Studienbeginn und in einem Verhältnis von 1:1:1 (Berotralstat 110 mg, Berotralstat 150 mg oder Placebo peroral einmal täglich mit Nahrung).

 

Insgesamt 81 Patienten erhielten in der 24-wöchigen Behandlungsphase mindestens eine Dosis Berotralstat. Insgesamt waren 66 % der Patienten weiblich und 93 % der Patienten kaukasischer Abstammung, mit einem mittleren Alter von 41,6 Jahren. Laryngeale Angioödem-Attacken in der Anamnese wurden bei 74 % der Patienten berichtet, und 75 % berichteten über eine frühere Anwendung einer Langzeitprophylaxe. Die mediane Attackenrate während der prospektiven Einleitungsphase (Basislinien-Attackenrate) betrug 2,9 pro Monat. Von den in die Studie aufgenommenen Patienten hatten 70 % eine Basislinien-Attackenrate von ≥ 2 Attacken pro Monat.

 

Die Patienten setzten andere prophylaktische HAE-Arzneimittel vor Eintritt in die Studie ab; allerdings durften alle Patienten Rescue-Arzneimittel zur Behandlung von HAE-Durchbruchattacken anwenden.

Bei mit Berotralstat behandelten Patienten wurden 51,4 % der Durchbruchattacken mit C1-INH behandelt (siehe Rubrik «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen»). Die gleichzeitige Anwendung von C1-INH und Berotralstat führte zu keinen identifizierbaren Nebenwirkungen.

 

Orladeyo 150 mg führte gegenüber Placebo, wie in Tabelle 2 gezeigt, im Hinblick auf den primären Endpunkt in der Intent-to-treat (ITT)-Population über einen Zeitraum von 24 Wochen zu einer statistisch signifikanten und klinisch bedeutsamen Reduktion der Rate der HAE-Attacken. Die prozentuale Reduktion der HAE-Attackenrate war bei Orladeyo 150 mg im Vergleich zu Placebo grösser, unabhängig von der Attackenrate in der Einleitungsphase.

 

Tabelle 2: Reduktion der HAE-Attackenrate in der mit Berotralstat 150 mg behandelten ITT-Population

Ergebnis

Berotralstat 150 mg

(n = 40)

Placebo

(n = 40a)

Rate pro 28 Tage

Prozentuale Reduktion gegenüber Placebo

(95-%-KI)

p-Wert

Rate pro 28 Tage

HAE-Attackenrate

1,31

44,2 % (23,0, 59,5)

< 0,001

2,35

a Ein Patient in der ITT-Analyse wurde zu Placebo randomisiert, aber nicht behandelt.

 

Die Reduktion der Attackenraten wurde über 24 Wochen hinweg aufrechterhalten.

 

Von den Patienten, die 150 mg Berotralstat erhielten, hatten 58 % eine Reduktion ihrer HAE-Attackenraten von ≥ 50 % gegenüber Studienbeginn, verglichen mit 25 % der Placebo-Patienten.

 

Pädiatrie

Die Sicherheit und Wirksamkeit von Orladeyo wurden in beiden Studien bei 28 jugendlichen Patienten im Alter von 12 bis < 18 Jahren untersucht. Das Sicherheitsprofil und die Attackenrate während der Studie waren mit den entsprechenden Beobachtungen bei Erwachsenen vergleichbar.

Die Sicherheit und Wirksamkeit von Berotralstat bei pädiatrischen Patienten unter 12 Jahren ist nicht erwiesen.

 

Für Orladeyo wurde eine Zurückstellung von der Verpflichtung zur Vorlage von Ergebnissen aus Studien in einer oder mehreren pädiatrischen Altersklassen bei der Behandlung des hereditären Angioödems zur Prävention von Attacken bei Patienten mit hereditärem Angioödem gewährt (siehe Rubrik «Dosierung/Anwendung» bzgl. Informationen zur Anwendung bei Kindern und Jugendlichen).

Pharmakokinetik

Absorption

Nach oraler Anwendung von Berotralstat 150 mg einmal täglich betragen die Cmax und die Fläche unter der Kurve über das Dosierungsintervall (AUCtau) 158 ng/ml (Spanne: 110 bis 234 ng/ml) bzw. 2770 ng*h/ml (Spanne: 1880 bis 3790 ng*h/ml). Die Pharmakokinetik von Berotralstat bei Patienten mit HAE ist der von gesunden Personen ähnlich.

 

Die Exposition gegenüber Berotralstat (Cmax und AUC) steigt mit der Dosis stärker als proportional an, und der Steady-State wird zwischen Tag 6 und 12 erreicht.

Auswirkungen von Nahrung

Nach Verabreichung zusammen mit einer fettreichen Mahlzeit wurden keine Unterschiede hinsichtlich der Cmax und AUC von Berotralstat beobachtet. Die mediane tmax war jedoch um 3 Stunden verzögert, von 2 Stunden (nüchtern) auf 5 Stunden (gesättigt, Spanne: 1 bis 8 Stunden). Berotralstat ist mit Nahrung einzunehmen, um die Wahrscheinlichkeit gastrointestinaler unerwünschter Ereignisse zu minimieren.

Distribution

Die Plasmaproteinbindung beträgt ca. 99 %. Nach einer Einzeldosis von 300 mg radioaktiv markiertem Berotralstat betrug der Blut/Plasma-Quotient ca. 0,92. Im Steady-State betrug für Berotralstat 150 mg einmal täglich das geometrische Mittel (% VK) des Verteilungsvolumens (Vd/F) 3'123 Liter (40 %).

Metabolismus

Berotralstat wird in vitro durch CYP2D6 und CYP3A4 mit niedriger Umsatzrate metabolisiert. Nach einer oralen Einzeldosis von 300 mg radioaktiv markiertem Berotralstat machte Berotralstat 34 % der gesamten Plasmaradioaktivität aus, mit 8 Metaboliten, die jeweils zwischen 1,8 % und 7,8 % der gesamten Radioaktivität ausmachten. Die Strukturen von 5 der 8 Metaboliten sind bekannt. Es ist nicht bekannt, ob einer der Metaboliten pharmakologisch aktiv ist.

 

Berotralstat 150 mg einmal täglich ist ein moderater Inhibitor von CYP2D6 und CYP3A4 und ein schwacher Inhibitor von CYP2C9. Berotralstat ist kein Inhibitor von CYP2C19.

Beim Doppelten der empfohlenen Dosis ist Berotralstat ein schwacher Inhibitor von P-gp und kein Inhibitor von BCRP.

Elimination

Nach einer Einzeldosis von 150 mg betrug die mediane Halbwertszeit von Berotralstat ca. 93 Stunden (Spanne: 39 bis 152 Stunden).

 

Nach einer oralen Einzeldosis von 300 mg radioaktiv markiertem Berotralstat wurden ca. 9 % im Urin ausgeschieden (3,4 % unverändert; Spanne: 1,8 % bis 4,7 %), und 79 % wurden in den Fäzes ausgeschieden. Zusätzliche Analysen zeigten, dass ca. 50 % der in den Fäzes wiedergefunden Fraktion unverändertes Berotralstat waren.

Kinetik spezieller Patientengruppen

Populationspharmakokinetische Analysen zeigten, dass Alter, Geschlecht und Rasse die Pharmakokinetik von Berotralstat nicht wesentlich beeinflussten. Das Körpergewicht wurde als eine Kovariate zur Beschreibung der Variabilität bei Clearance und Verteilungsvolumen identifiziert, was bei Patienten mit geringerem Gewicht zu einer höheren Exposition (AUC und Cmax) führt. Diese Differenz wird jedoch nicht als klinisch relevant angesehen, und für keine dieser demografischen Gruppen sind Dosisanpassungen erforderlich.

Leberfunktionsstörung

Die Pharmakokinetik einer oralen 150-mg-Einzeldosis Berotralstat wurde bei Patienten mit leichter, mittelschwerer und schwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klasse A, B oder C) untersucht. Die Pharmakokinetik von Berotralstat war bei Patienten mit leichter Leberfunktionsstörung im Vergleich zu Patienten mit normaler Leberfunktion unverändert. Bei Patienten mit mittelschwerer Leberfunktionsstörung war die Cmax um 77 % erhöht, während die AUC0-inf um 78 % erhöht war. Bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung war die Cmax um 27 % erhöht, während die AUC0-inf um 6 % vermindert war. Die geschätzte Verlängerung der nach Fridericia korrigierten QT-Zeit (QTcF) bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Leberfunktionsstörung betrug bis zu 8,8 Millisekunden (obere Grenze des 2-seitigen 90-%-Konfidenzintervalls 13,1 Millisekunden). Die Anwendung von Berotralstat bei Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klasse B oder C) ist zu vermeiden.

Nierenfunktionsstörung

Die Pharmakokinetik einer oralen 200-mg-Einzeldosis Berotralstat wurde bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung (eGFR von weniger als 30 ml/min) untersucht. Im Vergleich zu einer gleichzeitig behandelten Kohorte mit normaler Nierenfunktion (eGFR grösser als 90 ml/min) war die Cmax um 39 % erhöht, während hinsichtlich der AUC kein Unterschied beobachtet wurde. Bei Patienten mit leichter oder mittelschwerer Nierenfunktionsstörung ist keine Dosisanpassung erforderlich. Bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung kann das Risiko einer QT-Zeit-Verlängerung vorliegen. Die Anwendung von Berotralstat bei diesen Patienten sollte möglichst vermieden werden.

 

Die Pharmakokinetik von Berotralstat bei Patienten mit hämodialysepflichtigem Nierenversagen wurde nicht untersucht. Angesichts der hohen Plasmaproteinbindung von Berotralstat ist es unwahrscheinlich, dass diese Substanz durch Hämodialyse entfernt wird.

Ältere Patienten

Berotralstat wurde bei Patienten in einem Alter von über 75 Jahren nicht untersucht; es wird jedoch nicht davon ausgegangen, dass das Alter Auswirkungen auf die Exposition gegenüber Berotralstat hat.

Kinder und Jugendliche

Basierend auf populationspharmakokinetischen Analysen an pädiatrischen Patienten im Alter von 12 bis < 18 Jahren und mit einem Gewicht von mindestens 40 kg war die Exposition im Steady-State nach einmal täglicher oraler Anwendung von 150 mg Berotralstat geringfügig höher (29 % höher) als die Exposition bei Erwachsenen, mit einem geschätzten geometrischen Mittel (VK%) der AUCtau von 2'515 ng*h/ml (38,6). Diese Differenz wird jedoch nicht als klinisch relevant angesehen, und für pädiatrische Patienten im Alter von 12 bis < 18 Jahren mit einem Gewicht von mindestens 40 kg werden keine Dosisanpassungen empfohlen.

Präklinische Daten

Toxizität bei wiederholter Gabe

In nichtklinischen Studien zur chronischen Toxizität bei wiederholter Gabe wurde bei klinisch relevanten Expositionen eine Phospholipidose (Vorliegen schaumiger vakuolisierter Makrophagen) in der Leber von Ratten (mittels Elektronenmikroskopie) beobachtet sowie in Leber, Dünndarm, Lunge, Milz und Lymphgewebe von Ratten und Affen vermutet. Die klinische Bedeutung dieser Befunde ist nicht bekannt.

 

In der 2-jährigen (Lebenszeit-)Studie bei Ratten wurden Degenerationen/Nekrosen in Skelettmuskelfasern beobachtet. Die Exposition bei der Dosis ohne beobachtete schädliche Wirkungen (NOEAL) für diese Befunde bei Ratten lag beim 4,5-Fachen der Exposition, die (basierend auf der AUC) bei der klinischen 150-mg-Dosis Berotralstat erreicht wurde.

Genotoxizität

Basierend auf den konventionellen Studien zur Genotoxizität lassen die präklinischen Daten keine besonderen Gefahren für den Menschen erkennen.

Kanzerogenität

In einer 6-monatigen Studie bei transgenen Tg.rasH2-Mäusen wurde kein Anstieg der Inzidenz von Tumoren beobachtet. Die Exposition in dieser Studie zur Karzinogenität bei Mäusen betrug das 10-Fache der Exposition, die (basierend auf der AUC) bei der klinischen 150-mg-Dosis Berotralstat erreicht wurde.

 

In einer 2-jährigen (Lebenszeit-)Studie bei Ratten mit einer Berotralstat-Exposition, die dem 4,5-Fachen der bei der klinischen 150-mg-Berotralstat-Dosis erreichten Exposition (basierend auf der AUC) entsprach, wurden seltene Stromasarkome des Endometriums und undifferenzierte Sarkome der Haut festgestellt. Diese Befunde sind nicht schlüssig, wobei die Inzidenz gegenüber den Kontrollgruppen leicht erhöht ist. Die klinische Bedeutung dieser Befunde ist nicht bekannt.

Reproduktionstoxizität

Bei Ratten und Kaninchen überwand Berotralstat die Plazentaschranke. Eine Studie zur embryofetalen Entwicklung, die an trächtigen Ratten durchgeführt wurde, welche Berotralstat in Expositionen erhielten, welche dem 9,7-Fachen der bei der klinischen 150-mg-Berotralstat-Dosis erreichten Exposition (basierend auf der AUC) entsprachen, zeigte keine Hinweise auf eine Schädigung des sich entwickelnden Fötus. Eine zweite Studie zur embryofetalen Entwicklung bei einer relevanten Nicht-Nagetier-Spezies wurde nicht durchgeführt.

 

Berotralstat wurde an Laktationstag 14 im Plasma von Rattenjungen in einer Konzentration von ca. 5 % der maternalen Plasmakonzentration nachgewiesen.

 

Berotralstat hatte in einer Dosis, die auf einer mg/m2-Basis dem 2,9-Fachen der klinischen 150-mg-Berotralstat-Dosis entsprach, keine Auswirkungen auf das Paarungsverhalten oder die Fertilität männlicher und weiblicher Ratten.

Sonstige Hinweise

Inkompatibilitäten

Nicht zutreffend.

Haltbarkeit

Das Arzneimittel darf nur bis zu dem auf der Packung mit EXP“ bezeichneten Datum verwendet werden.

Besondere Lagerungshinweise

Nicht über 30°C lagern.

Ausser Reich- und Sichtweite von Kindern aufbewahren.

Hinweise für die Handhabung

Nicht verwendetes Arzneimittel oder Abfallmaterial ist entsprechend den nationalen Anforderungen zu beseitigen.

Zulassungsnummer

68464 (Swissmedic)

Packungen

Packungen mit 28 Hartkapseln [B].

Zulassungsinhaberin

BioCryst Schweiz GmbH, 6300 Zug

Stand der Information

Januar 2023